Containerdorf Am Kuhlenkamp – auf der Suche nach dem Positivum

Ja, es gibt viel zu meckern. Und das wird ja auch in einem Blog reichlich getan. Da gibt es halt Am Kuhlenkamp ein paar „Stinkstiefel“, die immer ihren Senf dazugeben müssen. Einer davon bin ich:

Martin Poettgen. 1986 mit 1500 DM auf dem Konto – quasi mittellos – nach Bochum gekommen. Berufsausbildung, parallel BWL Studium und danach seit 1989 Selbständigkeit. Alles, was man inzwischen hat, selbst erarbeitet, wie sich das ja auch eigentlich gehört. Nie etwas vom Staat erhalten, weil es auch nie benötigt wurde – außer einem KFW Darlehen, welches heute leider ca. 2% höher bezinst wird, als ein aktuell abschliessbarer Immobilienkredit. Grunderwerbssteuer bezahlt, monatliche Grundbesitzabgaben, Einkommensteuer und und und. Also, wir haben uns mit oft 10 Stunden täglicher Arbeit etwas Kleines aufgebaut. Und solche Geschichten gibt es viele Am Kuhlenkamp, in der Neuhofstraße, in der großen Wiese und am Neulingsiepen und anderen Straßen in Weitmar.

Was ist daran positiv? Es gibt hier Menschen, die zum Gemeinwohl dadurch beitragen, dass sie etwas erschaffen haben und keine Bezüge vom Staat abrufen.

Warum erwähne ich das überhaupt? Ich erkläre es weiter unten.

Ja, wo suchen wir weiter nach den positiven Dingen hier Am Kuhlenkamp? Sind es die so unglaublich sozial engagierten Mitbürger, die den armen Bewohnern zum Informationstag Kuchen bringen und vor deren Augen verzehren, während die im Fastenmonat Ramadan selber tagsüber nicht essen und trinken dürfen?

Ist die Einfahrt mit dem privaten Pkw in die immer noch als Fußweg beschilderte Anlage und das ökologisch gerechte Parken in der Grünanlage etwas positives? Ich überlege noch.

Suchen wir weiter: die Asphaltierung von 5.000 m2 ehemaliger Spiel- und Sportplätzen in unmittelbarer Nachbarschaft eines als schützenswert ausgewiesenen Biotops – ist das positiv?

Das massenhafte Fällen alten und gesunden Baumbestands bis in den Frühsommer- kann man das als etwas Positives werten?

Oder zum Thema Verkehr: unser Wohnzimmer zum Beispiel grenzt 2,80 Meter an den Spazierweg, über den jetzt ab 7:30 Uhr morgens Lkws und jede Menge Pkws brausen – selbstverständlich alle in zügiger Fahrweise, damit sie den Weg nicht so lange blokieren. Das ist richtig klasse. Vor allem für die, die hier nicht wohnen.

Recht schwer fällte es mir auch, dem Baulärm, dem unglaublichen Dreck und der Rücksichtslosigkeit der ausführenden Firmen seit nunmehr sieben Monaten etwas positives abzugewinnen.

Und so könnte man weiter und weiter und weiter forschen.

Aber ich habe doch etwas gefunden.

Zum Beispiel zwei Herren der Stadt Bochum, nämlich den Herrn Dr. Siekmann und den Herrn Große-Holz. Die haben zumindest auch einmal mit uns als unmitelbar Betroffenen gesprochen und uns die Wahrheit gesagt, haben uns das Gefühl gegeben, dass auch wir als direkte Anwohner noch Menschen sind, die Interessen haben, die es zumindest einmal anzuhören gilt. Sogar Herr Pabst vom Tiefbauamt hat mal bei uns geklingelt und über den Baufortschritt informiert. Man fühlt ich dann gleich besser. Danke dafür. Das würde aber unser toller OB, Herrn Eiskirch, ja nicht fertig bringen. Leider haben wir von Ihm hier nie etwas gesehen oder gehört.

Und unser Bezirksbürgermeister hat ja nach anfänglichen Berührungsproblemen zumindest den Kontakt gesucht – auch wenn mehrere getroffenen Vereinbarungen und Absprachen (bis jetzt) noch nicht eingehalten oder umgesetzt wurden oder werden konnten.

Immerhin: sehr positiv: die Polizeibeamten der Dienststelle Linden sind präsent, freundlich, manchmal einfühlsam, engagiert und geben den Anwohnern ein Gefühl der Sicherheit. Diese Herren machen allesamt einen richtig guten Job und das ist mit das Beste, was es dieser ganzen Angelegenheit abzugewinnen gibt. Das Sicherheitsinstitut der örtlichen Polizei funktioniert und das ist gut so.

Und auch: die guten Beziehungen zu vielen Nachbarn vom Kuhlenkamp, Neuhofstraße, Neulingsiepen, Natorpstraße, Holtingstraße, Große Wiese und andern, die wir vorher garnicht kannten. Man rückt zusammen, wenn gemeinsame Interessen berührt werden. Auch das ist positiv.

Viele dieser Menschen, wir eingeschlossen, besitzen Immobilien, die aufgrund der aktuellen Entwicklung an fiktiven Verkaufswert verloren haben. Ob dabei etwas tatsächlich zum Verkauf steht oder nicht: alleine die Einschränkung der Verfügung über sein Eigentum durch offensichtliche von außen auferlegte Wertminderung ist relevant. Wenn man dies über die Anzahl der unmittelbar angrenzenden Häuser summiert kommt man rasch auf einen zweistelligen Millionenbetrag, der vernichtet wurde. Das kümmert die wenig, der die Baumaßnahme beschlossen haben oder die den Kuchen mit dem Auto bringen, denn die sind ja nicht unmittelbar betroffen. So kann man die grauen Klötze auf dem ehemaligen Sportplatz leicht ganz toll finden. Diese Herrschaften können ja nach Hause fahren und schwups, ist es aus dem Kopf, denn sie müssen dieses „Kunstwerk“ nicht tagtäglich mit ansehen. Wir hingegen schon. Und viele der Befürworter verdienen auch noch richtig gut an der Maßnahme, die das Eigentum der Anwohner beschneidet.

Und weil es der blanke Hohn ist dürfen wir den ersten Bürger der Stadt Bochum hier nochmals zitieren:

Ein Mann - ein Wort? : Herr Eiskirch im Interview
Ein Mann – ein Wort? : Herr Eiskirch im Interview

Und damit ist die oben gestellte Frage dann auch beantwortet.

Ein Gegenargument, das damit ja vielen notleidenden Menschen geholfen werden kann zieht nicht, denn mit nur ein bißchen guten Willen hätten sich die Wohncontainer auf Flächen aufstellen lassen, die nicht derartige Einschränkungen für die Anwohner bedeutet und fast 3.000.000 Euro für die Herrichten verschlungen hätten. Es ging uns nie darum, diese Menschen vorzuverurteilen,  die in die Container eingezogen sind und noch dazukommen. Bisher haben wir nur neutrale, manchmal sogar freundliche Begegnungen gehabt (bei ca.  15 Prozent Belegung!).

Hätte, würde, könnte. Die Herrschenden in Bochum haben beschlossen, und deren Wille ist umzusetzen. So geht Demokratie heute. Aber von diesen „Entscheidern“ wohnt ja auch niemand hier Am Kuhlenkamp, da kann man leicht eine Entscheidung fällen, die weitreichende Auswirkungen hat. Es betrifft ja nur die „anderen“, und in der SPD sind die auch nicht. Was solls also?

Wie so oft im Leben hat eine Medaille aber zwei Seiten. Auf die, die wir als Anwohner sehen können haben die meisten noch garnicht geschaut. Für die sind wir die „Bösen vom Kuhlenkamp“ und die erzählen es auch noch herum, obwohl niemand von denen uns persönlich kennt. Hey, sind wir nicht. Wir sind eigentlich ganz nette Leute mit vielen Freunden auf der ganzen Welt. Unsere stärkste Waffe ist das „Wort“, und das setzen wir hier ein und wehren uns nur, wenn uns jemand auf den Fuß tritt. Und da steigen einige Leute derzeit täglich richtig heftig drüber.

3 Gedanken zu „Containerdorf Am Kuhlenkamp – auf der Suche nach dem Positivum“

  1. Ein wirklich guter Beitrag! *Daumen hoch*

    In einem Aspekt muss ich dennoch widersprechen: „Es ging uns nie darum, diese Menschen vorzuverurteilen, die in die Container eingezogen sind…“ Vielleicht ging es darum nie, dennoch ist es mehrfach geschehen. Ob hier im Blog (4. Februar: lotte: „Will Bochum eigentlich hier auch einen Rückzugsort für künftige Attentäter schaffen..“ oder 20. Februar: Map_1961: „..aus meinen Gesprächen mit den Anwohnern weiß ich, dass viele – gerade Frauen – Sorgen um die zukünftige Sicherheitslage haben.“, mehr Beispiele wollte ich jetzt nicht extra raussuchen) oder beim WAZ-Mobil in Zwiegesprächen. Die Vorverurteilungen finden statt/haben stattgefunden und das ist dann der Punkt, an dem die vermeintliche Opposition sich zu Wort meldet. Hier hat noch niemand geschrieben, dass wir Anwohner, ob direkt oder eine Querstraße weiter, uns „nicht so anstellen sollen“ oder so.

    Sum­ma sum­ma­rum bleibt leider eine exorbitant hohe Invesititionssumme für eine Flüchtlingsunterkunft und die Ungewissheit für alle Anwohner, was in ein paar Jahren dort geschieht: nicht schön!

    So, Laufschuhe an und mal das Regenrückhaltegebiet „durchwaten“…

  2. Super Beitrag, indem ich mich ganz und voll wiederfinde.
    Zum OB verweise ich nur auf meinen Beitrag mit den roten Rosen.

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